23. Sonntag im Jahreskreis 10. September 2023

9. Sep 2023 | Ankündigungen, GuterGedanke, Spirituelles

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern:
Wenn dein Bruder gegen dich sündigt, dann geh und weise ihn unter vier Augen zurecht! Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder zurückgewonnen.
Hört er aber nicht auf dich, dann nimm einen oder zwei mit dir, damit die ganze Sache durch die Aussage von zwei oder drei Zeugen entschieden werde.
Hört er auch auf sie nicht, dann sag es der Gemeinde! Hört er aber auch auf die Gemeinde nicht, dann sei er für dich wie ein Heide oder ein Zöllner.
Amen, ich sage euch: Alles, was ihr auf Erden binden werdet, das wird auch im Himmel gebunden sein, und alles, was ihr auf Erden lösen werdet, das wird auch im Himmel gelöst sein.
Weiter sage ich euch: Was auch immer zwei von euch auf Erden einmütig erbitten, werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten.
Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.

Liebe Gemeinde, liebe Kinder,
liebe Mitchristinnen, liebe Mitchristen!

Selten kommt ein Sonntagsevangelium so zweifelhaft, so schwer nachvollziehbar, so schwer umsetzbar daher, wie das heutige.
Zweifelhaft zum einen, weil es auf mich so dermaßen aus der Zeit gefallen wirkt: dieser Versuch, den Gemeindemitgliedern genau vorzuschreiben, wie sie sich „zurechtzuweisen“ haben, welche ganz genaue Reihenfolge da einzuhalten ist, um ein Bereuen der Sünden herbeizuführen. In unserer Zeit wäre das völlig undenkbar!
Stellen sie sich nur einmal vor, sie kommen eines Sonntags zur Kirche herein, und jemand von unserem Pfarrgemeinderat spricht sie an, nach dem Motto: uns ist da zu Ohren gekommen, dass Sie unehrlich gegenüber ihrem Ehepartner waren, oder so ähnlich. Und sie müssten sich dann rechtfertigen und bereuen, tun sie es nicht, wird noch ein Zweiter, eine Zweite hinzugezogen usw. Undenkbar, das würde sich doch niemand gefallen lassen, ganz egal ob der Anlass gerechtfertigt ist oder nicht!
Irgendwie trägt diese Anweisung zur Zurechtweisung, wie das in der Kirche immer schon genannt wurde, schon sektenähnliche Züge. So stellen wir es uns in einer obskuren Sekte vor, wo genau vorgeschrieben ist, wie die Mitglieder miteinander umzugehen haben. Wo genau vorgeschrieben wird, wie man sich zu verhalten hat und wo jeder den anderen beobachtet und überwacht. Wo jedes Fehlverhalten sofort geahndet bzw. bestraft wird und: in der der Abtrünnige gleich einmal vor allen bloßgestellt wird.
Natürlich ist zu bedenken, dass Gemeinde im ersten Jahrhundert, zur Zeit der Entstehung des Matthäus-Evangeliums, etwas Anderes war, als wir heute eine Pfarrgemeinde kennen: das waren kleine, überschaubare Gemeinschaften, deren Mitglieder ihnen aus freien Stücken angehörten. Da kannte jeder jeden. Da ist so eine solche Praxis wirklich eher denkbar, auch wenn bezweifelt werden darf, ob das immer funktioniert hat. In der jetzigen Großkirche, in den heutigen großen Pfarreien, wo die Mitglieder durch Geburt und getauft als Baby in die Kirche hineinwachsen und je nach Wohnort einer Pfarrei zugerechnet werden, ist das, wie vorhin geschildert, natürlich so überhaupt nicht mehr denkbar.

Aber andrerseits: wünschenswert wäre ein wenig mehr geschwisterlicher Umgang in unserer Zeit schon auch. Geschwisterlicher Umgang in dem Sinne, dass wir aufeinander in gegenseitiger Liebe und Achtung schauen, und in dieser Haltung auch, wenn nötig, kritisieren, und, mindestens genau so wichtig(!): Kritik auch annehmen.
Denken wir nur daran, wie unsere Gesellschaft derzeit vor allem auch durch die modernen Kommunikationsmittel, Computer und Smartphones, immer mehr in eine Situation hineindriftet, in der jeder und jede mit einer noch nie da gewesenen Breitenwirkung andere verletzen, verleumden, verbal im wahrsten Sinne des Wortes zerstören, an den Pranger stellen und regelrecht hinrichten kann. Und man dagegen nur schwer etwas tun kann. Gegenseitiger Hass und gnadenlose Hetze gewinnen, begünstigt durch eben diese sogenannten Social Medias, vor allem durch die dadurch mögliche Anonymität eine fast teuflische Wucht, die früher so nicht vorstellbar war. Es ist etwas Anderes, jemandem etwas direkt ins Gesicht zu sagen als es aus der Anonymität heraus einfach ins Netz zu stellen. Hier wünschen wir uns oftmals mehr Fairness und Geschwisterlichkeit im Umgang untereinander. Und ich denke, genau in diese Richtung geht unser christlicher Auftrag an uns alle, hier unseren Beitrag zu leisten, wo immer wir können.
Denn, und das ist der große Trost unseres heutigen Evangeliums, wenn wir uns bemühen, unser Miteinander geschwisterlich im Sinne Jesu zu gestalten, wenn wir versuchen, in seinem Geist zu leben, dann ist er bei uns, „mitten unter uns“; dann dürfen wir spüren, wenn wir auf sein Wort hören, wie er uns Kraft und Mut gibt, unser Leben gut zu leben und dies auch anderen zu ermöglichen. Ganz im Sinne auch unseres Liedes, das wir zu Beginn gesungen haben und das eines der allerschönsten Glaubenszeugnisse aller Zeiten ist: „Von guten Mächten treu und still umgeben…“

Amen

Ihr Thomas Sobottka
Pastoralassistent

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