27. Sonntag im Jahreskreis, 2. Oktober 2022

2. Okt 2022 | Ankündigungen, GuterGedanke, Spirituelles

In jener Zeit baten die Apostel den Herrn: Stärke unseren Glauben!
Der Herr erwiderte: Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn, würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Entwurzle dich und verpflanz dich ins Meer! und er würde euch gehorchen.
Wenn einer von euch einen Knecht hat, der pflügt oder das Vieh hütet, wird er etwa zu ihm, wenn er vom Feld kommt, sagen: Komm gleich her und begib dich zu Tisch?
Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: Mach mir etwas zu essen, gürte dich und bediene mich, bis ich gegessen und getrunken habe; danach kannst auch du essen und trinken.
Bedankt er sich etwa bei dem Knecht, weil er getan hat, was ihm befohlen wurde?
So soll es auch bei euch sein: Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen wurde, sollt ihr sagen: Wir sind unnütze Knechte; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan.

Liebe Schwestern und Brüder!

Vom griechischen Dichter Äsop stammt diese Fabel:
Ein Wolf verschlingt gierig einen Knochen, der ihm im Hals stecken bleibt. Er leidet große Qual. Ganz zahm und wehleidig bittet er um Hilfe. Er verspricht dem, der ihm den Knochen herauszieht, eine große Belohnung. Da kommt ein Kranich. Der Wolf bittet, ihm zu helfen. Der Vogel stößt seinen langen Schnabel tief in den Rachen des Wolfes hinein und zieht ihm den Knochen heraus. Als er vom Wolf die Belohnung fordert, schreit ihn dieser an: „Ist es nicht Belohnung genug, dass ich dir nicht den Kopf abgebissen habe, als ihn ihn in meinem Rachen hatte?“
Wir würden sagen: Dankbarkeit ist nicht gerade seine Stärke. Normalerweise erwarten wir, wenn wir jemandem Gutes tun, dass er sich bedankt oder sich gelegentlich erkenntlich zeigt. Das Geben, um etwas zu bekommen, ist eine weitverbreitete Grundregel menschlichen Zusammenlebens. Denken Sie nur an Weihnachten! Wer dagegen verstößt, fällt unangenehm auf.
Von dieser Regel scheint Jesus nichts zu halten. Das verstehen wir schwer. Denn unser Denken ist meist so: Wenn ich Gutes tue, sollte sich Gott auch einmal erkenntlich zeigen. Wenn ich ihn mit Gottesdiensten und Gebeten ehre, dann dürfte er mir doch ein paar Pluspunkte gutschreiben. Wenn ich ein anständiges Leben führe, dann kann ich doch mit einem guten Platz im Himmel rechnen. Wer wollte das in Frage stellen?
Das ist menschlich verständlich und trotzdem falsch. Man kann Gott nicht kaufen, auch nicht mit Gebeten und guten Werken. Alles Gute, das wir tun, ist im Grunde Selbstverständlichkeit. Wir können keine Forderungen daraus ableiten. Unsere guten Taten sind keine Zahlungsmittel. Das Gute ist für Gott das Selbstverständliche.
Genau das will uns das Gleichnis des heutigen Evangeliums sagen. Der Knecht hat sich den ganzen Tag abgerackert. Müde kommt er nach Hause. Sein Herr sagt ihm nicht: „Setz dich und ruh dich aus. Du hast es verdient.“ Nein, die Arbeit geht weiter. Der Knecht erhält den Befehl, seinen Herrn zu bedienen. Dann erst kann er selber essen und trinken.
Vor Gott sind wir solche Knechte, die nur ihre Pflicht tun. Wir können nicht auf unsere Leistung pochen. Da haben wir gar nicht das Recht zu sagen: „Jeden Sonntag geh ich zur Messe. Ich habe schon so viel Gutes getan. Viel Geld habe ich schon für die Notleidenden gegeben. Da habe ich doch Grund, den gerechten Lohn einzufordern.“
Ich frage mich: Wenn ich einem/r Hungernden zu essen geben, eine/n Kranken besuche, einem/r Verzweifelten Mut zuspreche, wenn ich zu einem Menschen gut bin, was tue ich da Besonderes? Ist das nicht selbstverständlich? Das Gute ist in den Augen Gottes das Selbstverständlichste, meint Jesus in dem Gleichnis.

Ihr
Heribert Hatzl
Pfarrvikar

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