4. Ostersonntag, 8. Mai 2022
Meine Schafe hören auf meine Stimme; ich kenne sie und sie folgen mir. Ich gebe ihnen ewiges Leben. Sie werden niemals zugrunde gehen und niemand wird sie meiner Hand entreißen. Mein Vater, der sie mir gab, ist größer als alle und niemand kann sie der Hand meines Vaters entreißen.
Ich und der Vater sind eins.
Liebe Gemeinde, liebe Mitchristinnen, liebe Mitchristen!
Jesus spricht im heutigen Evangelium, das wir gerade eben hörten, von seiner Herde, und von seinen Schafen, aber, und das ist das Wichtige: er erwähnt dabei mit keinem Wort irgendwelche Hirten. Er benutzt ein Bild, das damals sofort jeder verstanden hat, weil es zum Alltagsbild der Menschen in Palästina dazugehörte. Er spricht davon, dass die Schafe auf seine Stimme hören und dass sie ihm folgen; und so wie dieses Bild hier von ihm ausgemalt wird, tauchen da keine anderen Hirten auf. Jesus Christus ist der Hirt, und alle, die auf seine Stimme hören und die ihm folgen, das sind eben seine Schafe. Sie, ihr, ich, unser Hr. Pfarrer, der Bischof und auch der Papst – alles also Schafe in dieser Herde, denn der Hirte ist Jesus selbst!
Und so gefällt mir das Bild auch ausgesprochen gut!
Normalerweise wird es ja leider etwas anders verwendet. Die Kirche war da immer sehr geschickt, wenn es darum ging, biblische Texte in ihrem Sinne auszulegen. Da sind dann allein die Gläubigen die Schafe, die Kleriker, Priester und Bischöfe sind zu Hirten geworden, die diese Herde dann zu führen haben. Einige wenige also, die das Ziel kennen, die darum wissen, was gut für die Herde ist und was nicht, und viele Hunderte, Tausende so wie wir alle, die halt als Schafe ihren Hirten zu folgen haben.
Kein Wunder also, dass dieses Bild in unserer Zeit immer mehr auf Ablehnung stößt. So dumm, so wenig selbstständig, sind die sogenannten Schafe dieser Herde nämlich nicht. Kein Wunder, dass der Widerstand immer größer wird, wenn es darum geht, sich einfach von anderen, beinahe bedingungslos, führen zu lassen. Denn: So gut, so selbstlos und zielsicher sind die, die man in unserer Kirche Hirten nennt, leider auch nicht. Da geht es viel zu oft um vieles, nur nicht um die Sache Jesu. Da spielen viel zu häufig Karriere und Macht und Einfluss eine Rolle.
Es menschelt halt sehr auch in unserer Kirche, wie es unser verstorbener Pfarrer, Dechant Höfling, immer wieder betonte. Und dazu kommt noch das, was die Medien immer wieder an Skandalen ans Tageslicht zerren müssen, das zerstört leider immer mehr und Stück für Stück das hehre Bild der vielen guten Hirten in dieser Kirche.
Da ist das heutige Evangelium richtiggehend wohltuend. Jesu Stimme ist es, ihm gilt es zu folgen, er selbst ist der Hirte seiner Herde. Das macht dieser Text deutlich.
Er gibt die Richtung vor, in der wir zu gehen haben, wenn wir uns Christen nennen.
Konkret heißt das dann, dass das Handeln der Kirche, auch hier am Kagraner Anger, aber auch das Handeln von uns allen, immer wieder daraufhin überprüft werden muss, ob es auch ein Handeln im Sinne Jesus, unseres Hirten, ist. Das kann z.B. auch darin bestehen, dass wir immer wieder einmal überlegen, ob unser Handeln einem biblischen Befund standhalten kann. Schließlich ist es die Bibel, die die Quelle dessen ist, was wir von Jesus wissen.
Oder, um ein noch konkreteres, aktuelles Beispiel zu bringen: wie ist sie, unsere Haltung zum derzeitig grausam tobenden Ukrakine-Krieg? Sind wir kompromisslos für Frieden und Deeskalation und tragen wir wirklich ohne wenn und aber alle Maßnahmen in diese Richtung mit? Auch wenn wir höchstwahrscheinlich einen hohen Preis dafür zahlen müssen? Folgen wir auch da unserem Hirten Jesus Christus?
Also: wenn Jesus unser Hirte ist, dann habe ich auch kein Problem damit, ein Schaf in seiner Herde zu sein, um im Bild zu bleiben. Dann vertraue ich darauf, dass ich in guten Händen bin und bete, wie auch schon Jesus als gläubiger Jude mit dem berühmten Psalm 23 gebetet hat:
Der Herr ist meine Hirte,
nichts wird mir fehlen.
Er lässt mich lagern auf grünen Auen
und führt mich zum Ruheplatz am Wasser.
Er stillt mein Verlangen;
er leitet mich auf rechten Pfaden, treu seinem Namen.
Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht,
ich fürchte kein Unheil;
denn du bist bei mir,
dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht.
Du deckst mir den Tisch
vor den Augen meiner Feinde.
Du salbst mein Haupt mit Öl,
du füllst mir reichlich den Becher.
Lauter Güte und Huld werden mir folgen mein Leben lang,
und im Haus des Herrn darf ich wohnen für lange Zeit.
Amen.
Thomas Sobottka
Pastoralassistent
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