6. Sonntag in der Osterzeit, 22. Mai 2022
Wer mich nicht liebt, hält meine Worte nicht. Und das Wort, das ihr hört, stammt nicht von mir, sondern vom Vater, der mich gesandt hat.
Das habe ich zu euch gesagt, während ich noch bei euch bin. Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.
Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht, wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn euch. Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht.
Ihr habt gehört, dass ich zu euch sagte: Ich gehe fort und komme wieder zu euch. Wenn ihr mich liebtet, würdet ihr euch freuen, dass ich zum Vater gehe; denn der Vater ist größer als ich.
Jetzt schon habe ich es euch gesagt, bevor es geschieht, damit ihr, wenn es geschieht, zum Glauben kommt.
Liebe Schwestern und Brüder!
Jesus gibt uns in dieser Bibelstelle eine klare Anweisung, in welcher Art und WEISE DIE BLEIBENDE Gegenwart Jesus erfahrbar und sichtbar wird.
Sie ist immer dort sichtbar und erkennbar, wo Menschen sein Wort nicht nur im Mund führen, sondern danach handeln. Also, dort, wo WIR ihn erlebbar und spürbar machen.
Wir sollen AM WORT FESTHALTEN! Das bedeute aber nicht, dass wir am Wortlaut festhalten sollen. Ich verstehe darunter, dass wir seine Botschaft ernst nehmen und dass wir ihm treu bleiben. Es bedeutet für mich, dass mein Glauben immer wieder durch seine Botschaft gestärkt und belebt wird.
Es bedeutet NICHT, dass seine Botschaft, die ja unter damaligen Bedingungen und Lebensformen entstanden ist, nicht immer wieder neu formuliert werden muss und den modernen Zeiten und Regeln angepasst werden muss. Wir haben heute ein ganz anderes Gesellschaftsbild als damals, andere Lebensbedingungen, andere Geschlechterrollen. Wir verfügen über Medien, die es damals nicht einmal ansatzweise gab.
Der Glaube an Jesus kann nur wirksam bleiben, wenn wir Möglichkeiten finden, seine Botschaft für die Menschen heute verständlich und interessant machen. Es liegt an uns, an jeder und jedem von uns, das Wort lebendig zu halten und es neu zu beleben.
Wie würde ER seine Botschaft heute an die Menschen bringen? Auf einem Hügel sitzend? Über den Weinstock und den Hirten redend? Nein, diese Bilder verstehen wir heute nicht mehr. Sie sind nicht aus unserer Lebenswelt gegriffen.
Ich male mir aus, wie es wäre, wenn Jesus heute in die Welt käme?
Wo wäre der Menschenfischer heute zu finden? Vielleicht im Flüchtlingslager, wo tausende Bootsflüchtlinge unter unmenschlichen Bedingungen festsitzen. Er würde sie aufbauen, würde das Unrecht laut hinausschreien und auf Facebook sofort einen Proteststurm lostreten, den kein Politiker mehr überhören kann.
Vielleicht wäre er bei den Erdbeerpflanzern in Spanien. Er würde wie ein Wirbelwind über die Felder eilen und wie damals im Tempel alle Pflanzenzelte niederreißen und alle chemischen Dünger sofort wegschütten. Am nächsten Morgen würden wir auf Instagram Fotos dieser Aktion finden mit dem Aufruf, dass wir umkehren müssen und durch unser geändertes Verhalten diese Menschen aus ihrer modernen Sklaverei befreien müssen.
Vielleicht würden wir ihn in den Ghettos finden? Und davon gibt es nicht nur in Brasilien oder Afrika einige, sondern auch hier im Mitteleuropa.
Oder vielleicht wäre er bei den Jugendlichen unserer Wiener Wohnsiedlungsghettos, wo die jungen Migrationskinder ohne Plan und Visionen in den Fußballkäfigen herumhängen.
Oder Jesus wäre bei der Rainbow Parade zu finden, wo Menschen jeder sexuellen Richtung miteinander über die Ringstraße ziehen und friedlich für eine tolerante und wertschätzende Gesellschaft demonstrieren.
Wahrscheinlich hätte er am Abend in Facebook ein neues Video hochgeladen mit einer Botschaft, die ins Herz trifft.
Würde uns Jesus immer wieder erinnern, dass er für den Frieden ist? Dass ER uns den Frieden gibt?
Würde er dafür plädieren, dass unsere Kirche endlich eine Gemeinschaft für ALLE sein muss? Dass in Seiner Welt alle Menschen ohne Angst leben sollen?
Wer ist DIE KIRCHE? Das sind wir alle hier, die wir uns am Sonntag im Namen Jesu versammeln.
Wie können wir es hier am Anger schaffen, einen Raum für alle zu kreieren? Wie können wir das Wort wieder lebendig machen? Wie können wir die Offenbarung und den Glauben so verkünden, dass er gehört und verstanden werden kann?
Ich weiß es auch nicht. Aber ich hoffe auf den Beistand des Heiligen Geistes. Ich hoffe, dass die Ruach mir Einsicht gibt, meinen Glauben zu vertiefen um mein Glaubensbild zu aktualisieren und dass ich die Kraft erhalte, unseren Glauben an die Liebe und den Frieden Jesus zu verkünden mit Worten, die verstanden werden.
Und als Abschluss eine eindringliche Bitte: Im PGR bin ich auch für die Berufungspastoral zuständig. Ich lade Sie alle ein, Ihre Berufung wahrzunehmen. Wir alle sind berufen, im Glauben sichtbar zu leben und unsere Talente einzusetzen. Sie meinen, Sie können nicht predigen? Aber Ihr Zugang zum Glauben ist für andere interessant? Sie sagen, Sie wollen nicht am Ambo stehen, aber Ihre Ideen, wie wir Gottesdienst interessant gestalten können, sollten wir kennenlernen?
Kommen Sie zu doch einfach zu mir, oder wenden Sie sich an eine Person, die Sie gut kennen.
Ich bin sicher, der Heilige Geist weht wo er will. Und das kräftig! Nur manchmal halten wir uns nicht für brillant genug oder für unzureichend, um unsere Talente einzusetzen.
Aber ich bin mir ganz sicher, dass in jeder Person hier die Herrlichkeit Gottes spürbar wird. In Jeder und Jedem von euch wirkt Gottes Geist.
Habt Mut, lasst euer Licht scheinen. Zeigt eure Begabung. Genießt die Freude, die Gott an euch hat. Gott hat euch so gewollt, wie ihr seid, er liebt euch genau so. Also steht auf, erhebt eure Stimme, zeigt eure Stärke. Lebt eure Visionen und Talente, denn sie sind euch zur Freude Gottes gegeben.
Lasst den Geist, die Ruach, stürmen und seid nicht ängstlich.
Wir sind eine Kirche ohne Angst! Aber mit der Kraft eines lebendigen Glaubens. Das Wort Jesu und die Kraft des Heiligen Geistes werden uns lehren, im Glauben treu, aber neu und lebendig, SEINE Botschaft gegenwärtig zu halten.
Habt Mut!
Ihre
Irene Amann-Kanelutti
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