32. Sonntag im Jahreskreis , 12. November 2023
Fünf von ihnen waren töricht und fünf waren klug. Die törichten nahmen ihre Lampen mit, aber kein Öl, die klugen aber nahmen mit ihren Lampen noch Öl in Krügen mit.
Als nun der Bräutigam lange nicht kam, wurden sie alle müde und schliefen ein. Mitten in der Nacht aber erscholl der Ruf: Siehe, der Bräutigam! Geht ihm entgegen! Da standen die Jungfrauen alle auf und machten ihre Lampen zurecht.
Die törichten aber sagten zu den klugen: Gebt uns von eurem Öl, sonst gehen unsere Lampen aus!
Die klugen erwiderten ihnen: Dann reicht es nicht für uns und für euch; geht lieber zu den Händlern und kauft es euch!
Während sie noch unterwegs waren, um es zu kaufen, kam der Bräutigam. Die Jungfrauen, die bereit waren, gingen mit ihm in den Hochzeitssaal und die Tür wurde zugeschlossen.
Später kamen auch die anderen Jungfrauen und riefen: Herr, Herr, mach uns auf! Er aber antwortete ihnen und sprach: Amen, ich sage euch: Ich kenne euch nicht. Seid also wachsam! Denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde.
Liebe Mitchristinnen und Mitchristen!
Viele von Ihnen erinnern sich wahrscheinlich noch an den bekannten Satz von Josef „Joki“ Kirschner aus der Raiffeisenwerbung: „Man muss rechtzeitig drauf schauen, dass man´s hat, wenn man´s braucht!“
Diesen Satz könnte man im ersten Moment als Kernaussage über das heutige Evangelium legen. Da geht es doch um ein paar kluge Frauen, ein paar törichte Frauen und darum, dass eben die einen vorgesorgt haben und die anderen nicht. Und eben diese – die Törichten – haben halt einfach Pech gehabt. Für die ist es einfach zu spät!
Aber ich denke, dass es das allein wohl doch nicht ist – es handelt sich eben wieder einmal um ein Gleichnis, das uns zum Nachdenken anregen und uns zu einer anderen Kernaussage führen will.
Lassen wir die, meiner Meinung nach, in diesem Zusammenhang auch nicht wirklich aktuelle Wortwahl „die Klugen“ und „die Törichten“ einmal außer Acht, gibt es für mich zwei wichtige Schwerpunkte.
Zum einen ist da natürlich die Sache mit der Vorsorge, um für den richtigen Augenblick bereit und gerüstet zu sein. Auch in unserem Leben geht es um die Vorsorge. Da müssen wir uns um Dinge wie Versicherungen und Pensionsvorsorge kümmern. Wir müssen uns unter Berücksichtigung aller Teuerungen um die Bedürfnisse des täglichen Lebens kümmern und vielleicht, wenn etwas überbleibt, noch möglichst gut einen Notgroschen anlegen. Wir durchforsten die Werbepost nach Sonderangeboten, versuchen Energie zu sparen, um die Kosten zu senken und damit auch für die Zukunft noch gesorgt ist und planen notwendige Ausgaben, damit wir im richtigen Moment das Beste für unser Geld bekommen. Das ist schon ganz schön viel, an was wir da alles denken müssen und was wir berücksichtigen sollen. Und dennoch – was ist, wenn dann noch etwas unvorhersehbares auf uns zukommt?
Im Evangelium haben wir gehört, dass die tatsächliche Ankunft des Bräutigams die Jungfrauen doch überrascht hat. Wie leicht kann uns etwas überraschen?
Stellen Sie sich folgende Situation vor: es ist Sonntagmittag. Wir haben vorgesorgt und alles für unser gemeinsames Sonntagsmahl vorbereitet. Da läutet es plötzlich an der Wohnungstür und wir machen auf. Draußen steht eine Frau und sie sagt: „Ich bin die Tochter Gottes und möchte heute bei euch einkehren und mit euch Mahl halten!“
Hätten wir damit rechnen können oder rechnen müssen? Waren wir schlecht oder unzureichend vorbereitet? Kann man für alles vorbereitet sein und abgesichert sein und wenn nicht, ist es dann wieder einmal einfach zu spät?
Ich denke nicht. Manchmal kommt es eben anders, als man denkt und dann sind wir gefordert das Beste aus der Situation zu machen – vielleicht zu improvisieren – das Unerwartete anzunehmen und aus den Herausforderungen und dem Umgang damit zu lernen.
Ein anderer Schwerpunkt, den ich persönlich in diesem Evangeliumstext heraushöre, ist die Gefahr von aufkommendem Neid und aufkommender Gier. Die sogenannten „klugen Jungfrauen“ zeigen sich in keiner Weise bereit der Bitte der sogenannten „törichten Jungfragen“ nachzukommen und ihnen etwas von ihren Ölreserven abzugeben. Sie haben nicht einmal über eine mögliche Lösung nachgedacht, sondern sie sofort komplett abgewiesen. Es ist eben wieder einmal zu spät!
Es ist schon beängstigend auffällig, wie ein einziges Wort – nämlich „Ölreserven“ – eine Erzählung von einem Ereignis, das ungefähr 2000 Jahre her ist, diese Geschichte sofort eins zu eins in die heutige Zeit katapultiert! Beim Streit um die Ölreserven haben sich nur zwei Dinge verändert: die Ausmaße und die Auswirkungen – sie sind um ein Vielfaches größer geworden.
Was oft im Kleinen, zum Beispiel durch Neid oder Gier beginnt, kann in weiterer Folge große Ausmaße annehmen. Da kann eine Erbschaftsangelegenheit schon einmal eine Familie auseinander bringen. Da können politische oder wirtschaftliche Fragen die Bevölkerung eines Staates in rivalisierende und verfeindete Lager spalten. Da können religiöse Unterschiede Gewalt und Gegengewalt, Unterdrückung und Kriege auslösen. Wie soll denn Frieden auf der Welt herrschen können, wenn es nicht einmal im Kleinen funktioniert?
Ist es auch da schon zu spät?
Nein – ich denke nicht, dass es das ist, was uns dieses Gleichnis aufzeigen soll. Es soll uns vielmehr aufrütteln achtsam zu sein, rücksichtsvoll und tolerant, sorgsam und werterhaltend, wertschätzend und gerecht. Beginnen wir jetzt damit! Bereiten wir uns auf vielleicht schon versäumt geglaubtes vor, bereiten wir uns darauf vor Neues und Unerwartetes anzunehmen. Seien wir bereit auch für die kleinen Herausforderungen in unsere nächsten Umgebung, unserer Nachbarschaft, unserer Familie – mit unseren Nächsten.
Es ist nie zu spät!
Ihr Wolfgang Kanelutti
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