23. Sonntag im Jahreskreis, 8. September 2024

8. Sep 2024 | Ankündigungen, GuterGedanke, Spirituelles

In jener Zeit verließ Jesus das Gebiet von Tyrus und kam über Sidon an den See von Galiläa, mitten in das Gebiet der Dekapolis.
Da brachten sie zu ihm einen, der taub war und stammelte, und baten ihn, er möge ihm die Hand auflegen. Er nahm ihn beiseite, von der Menge weg, legte ihm die Finger in die Ohren und berührte dann die Zunge des Mannes mit Speichel; danach blickte er zum Himmel auf, seufzte und sagte zu ihm: Effata!, das heißt: Öffne dich!
Sogleich öffneten sich seine Ohren, seine Zunge wurde von ihrer Fessel befreit und er konnte richtig reden.
Jesus verbot ihnen, jemandem davon zu erzählen. Doch je mehr er es ihnen verbot, desto mehr verkündeten sie es. Sie staunten über alle Maßen und sagten: Er hat alles gut gemacht; er macht, dass die Tauben hören und die Stummen sprechen.

Liebe Gemeinde,
liebe Mitchristinnen, liebe Mitchristen!
Wissen Sie, was ich schon als Kind partout nicht leiden konnte?
Wenn mir meine Mutter mit ihrem Taschentuch, womöglich noch vorher mit Spucke befeuchtet, übers Gesicht gefahren ist, weil sie meinte, ich sei nicht sauber genug.
Finger in die Ohren, Spucke auf die Zunge – nicht erst seit der Coronazeit, wo jegliche Berührung problematisiert wurde, reagieren wir darauf zumindest befremdet, wenn nicht sogar angeekelt.
Aber dennoch fasziniert mich diese wunderbare Geschichte von der Heilung des Mannes, der nicht sprechen kann, der nur undeutliche Laute stammelt und der nicht hören kann, ungemein.
In aller Deutlichkeit zeigt sich uns, wie Jesus diesem Menschen, aber eigentlich allen Menschen begegnet ist: er schenkt seine Nähe, da ist keine vorsichtige Distanz oder Scheu, ein direkter und unmittelbarer Kontakt. Mit vielsagenden Gesten, die wir heute leider nicht mehr so nachvollziehen können, weil sie unserem Verständnis von Hygiene, Anstand usw. nicht mehr entsprechen, berührt er die wunden Punkte, die der Heilung bedürfen.
Und dann dieses Wort in Jesu Muttersprache, dem Aramäisch: „Effata! Öffne dich!“. Ein Wort übrigens, das man auch mühelos von den Lippen ablesen kann, fast schon Gebärdensprache. „Effata!“
„Effata! Öffne dich!“.
Nicht nur Menschen mit Beeinträchtigung, wie der Mann in unserem Evangelium, der nicht hören und nicht sprechen konnte, bedürfen dieser heilenden Zusage.
Wie oft sind Menschen verschlossen, zu, unnahbar, wie zugemauert, wie verbarrikadiert. Wir begegnen ihnen und ahnen, dass da etwas in ihnen steckt, etwas, das in dem anderen vorgeht, aber nichts davon kommt zum Vorschein. Wir kommen an den anderen nicht heran, können ihn nicht erreichen. Der andere bleibt verschlossen: Kummer, Sorgen, Schmerzen oder Ärger und Verletzungen, die, das spüren wir, stecken ganz tief drin. Aber nichts davon darf nach außen dringen, die Fassade der Unnahbarkeit bleibt aufrecht.
Da wünsche ich mir dann manchmal, dass da ein „Effata! Öffne dich!“ helfen könnte. Denn wie soll ich jemandem helfen können, wenn er nicht sagt, dass ihm etwas fehlt?
Oder: wie kann jemand darauf hoffen, dass ich ihn um Verzeihung bitte, wenn ich gar nicht darum weiss, dass ich ihn verletzt habe, weil er die Kränkung, die ich ihm zugefügt habe, einfach in sich hineinfrisst? „Effata! Öffne dich doch!“
Oder wie kann jemand erwarten, dass er oder sie im Krankenhaus Besuch erhält, wenn er oder sie niemandem erzählt, dass dieser oder jener Eingriff jetzt bevorsteht? Ein Problem übrigens auch in unserer Pfarrgemeinde (am Kagraner Anger): oft wissen wir gar nicht, dass Menschen im Spital sind, schwer krank sind, weil niemand es uns sagt und wir uns nur wundern, warum jemand einfach nicht mehr da ist.
Wo Menschen verschlossen sind, nichts aus sich herauslassen, dort entstehen Enttäuschungen, Frust und Missverständnisse zuhauf. Wo Menschen miteinander leben, dort ist Sprachlosigkeit eines der größten Übel.
Deshalb ist diese Wundergeschichte vom heutigen Evangelium so immens ergreifend und wichtig. Die Nähe, die wir, wie Jesus, einem anderen schenken können, die Aufmerksamkeit und Achtsamkeit, kann heilsam sein. Die Offenheit, mit der wir einander begegnen ist immens wichtig. Die Art und Weise, wie wir miteinander sprechen, wohlgemerkt mit-einander, weniger über-einander, ist von entscheidender Bedeutung und Voraussetzung, dass gutes menschliches Zusammenleben gelingen kann.
Dort, wo jemand wie jener Mann, taub und stumm war, also nicht sprechen konnte, dort hat Jesus, so die Evangelien, eingegriffen. Er hat durch seine Nähe und Zuwendung, durch seine Liebe, seinem Vertrauen, seinem Glauben die Zunge gelöst und ihm die Gabe des Sprechens neu geschenkt. Diese Gabe aber dann auch wirklich einzusetzen, das hat er dem Mann dadurch nicht abgenommen. Und das nimmt er auch uns nicht ab. Diese Aufgabe ist uns überlassen. Denn das ist etwas, wovon Jesus offensichtlich meint, dass wir das ganz gut selber können müssten, wenn wir uns wirklich bemühen.
„Effata! Öffne dich!“ – Gott hat uns den Mund gegeben und er hat uns auch eine Stimme zum Reden geschenkt. Nutzen müssen wir dieses Geschenk aber schon selber.
Und wäre da nicht eine Pfarrgemeinde wie unsere ein richtiger Ort, ein richtiger Rahmen dafür, wo das gelingen könnte?

Amen.

Ihr Thomas Sobottka, Pastoralassistent

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