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Die Passion vom 24. März 2024 zum Nachschauen und Nachlesen.

Briefe eines Flüchtlings an seinen Vater der Passion Jesu gegenübergestellt.

Bei der Gestaltung haben mitgewirkt:
Andreas K. Barbara K., Julia Z., Philipp H. und Wolfgang K.

Texte: Christoph H.

Grafiken: Füchtlingskreuzweg 2011, von Schülern des BG und BRG Schwechat und Mag. Martin Krenn

1. Brief

Mein lieber Vater, 

Heute habe ich endlich Europa erreicht. Wir müssen uns nun anmelden, dann geht es weiter Richtung Österreich. Ich weiß du hattest Zweifel, aber die gefährliche Reise wird sich auszahlen. Ich bin überzeugt, dass ich bald ein sicheres Zuhause und ein angstfreies Leben habe.

Bis Bald.

2. Brief

Jesus zieht in Jerusalem ein. Die Menschen freuen sich, singen Lieder und legen Kleidung und Palmen auf die Straße. 

Mein lieber Vater,

Ich bin am Ziel angekommen. Ich hatte Sorgen, wie es tatsächlich ist, als Fremder in ein Land zukommen und auf die Hilfe angewiesen zu sein. Doch die Menschen hier sind großartig. Wir wurden freundlich begrüßt und nach dieser langen Zeit konnte ich zum ersten Mal ausruhen.

Rasch nach der Ankunft kam eine junge Helferin und fragte mich nach meinem Namen, meiner Herkunft und wie es mir geht. Sie musste erfassen, wer angekommen war, um zu organisieren, wo wir dann schlafen und bleiben durften. Ich bin immer noch beeindruckt von den vielen Menschen, die mir und allen anderen hier helfen. So viel Engagement, so viel Liebe! Später hat sich ein älterer Herr zu mir gesetzt und mir erklärt, wie es nun weiter geht. Das klingt alles recht kompliziert, aber ich bekomme das bestimmt hin – vor allem mit dieser Unterstützung hier.

Schon jetzt bin ich mir sicher, hier kann ich endlich ohne Angst vor Verfolgung, Anfeindung und Gewalt leben.

Bis Bald Vater!

3. Brief

Jesus geht mit seinen Jüngern im Garten beten. Er bittet sie wache zu halten. Nach seinem ersten Gebet kommt er zurück und findet die Jünger unachtsam/schlafend. Er weckt sie: „Könnt ihr nicht wach bleiben?“. Er geht nochmal beten, sie schlafen wieder.

Mein lieber Vater,

Bitte verzeih mir, dass ich dir länger nicht geschrieben habe. Es geht mir gut hier! Nach meiner Ankunft wurden wir in ein Wohnheim gebracht. Seitdem erledige ich die notwendigen Schritte, um dauerhaft bleiben zu dürfen. Das ist kompliziert und braucht viel Zeit.

Die Unterstützung der Einheimischen wurde leider weniger. Während anfangs sehr viele Menschen geholfen haben, kommt nun nur noch selten jemand vorbei. Wenn wir um Hilfe bitten, müssen wir oft lange auf eine Antwort warten. Aber ich kann das verstehen!

Erst vor kurzem hatte ich ein Gespräch mit einem Unterstützer. Er meinte, dass bei der Ankunft viele freiwillig helfen. Bezahlte Mitarbeiter*innen, die sich mit den Behördenwegen auskennen, gibt es aber weniger und die sind leider sehr überlastet.

Das Problem ist, ohne Hilfe ist es fast nicht zu schaffen. Auch wenn ich die Sprache bereits könnte, wer soll das alles verstehen? Es gibt Formulare, Dokumente und so viele Fristen die ich beachten muss. Wir versuchen uns hier im Wohnheim gegenseitig zu helfen, aber niemand kennt sich damit wirklich aus. Wir sind darauf angewiesen, dass uns Menschen helfen die sich damit auskennen oder wissen wo die Informationen zu finden sind.

Du siehst, ich hatte sehr viel zu tun in letzter Zeit und daher leider keine Zeit dir zu schreiben. Aber ich glaube weiterhin daran, dass mein Leben hier sicherer sein wird.

Bis Bald Vater!

4. Brief

Die Jünger schrecken aus dem Schlaf hoch. Als Jesus vom Beten zurück kehrt, kommt eine Gruppe Soldaten. Judas tritt nach vor und an Jesus heran. Er küsst ihn. Die Soldaten ergreifen Jesus und führen ihn ab. 
Petrus folgt ihnen. Im Palast der Hohepriester wird er 3x gefragt ob er ein Gefolgsmann Jesu wäre, doch Petrus verneint jedes Mail.

Mein lieber Vater,

Mittlerweile habe ich mich hier ganz gut eingelebt. Die wichtigsten Schritte für das Asylverfahren sind gemacht und die Entscheidung liegt nun bei den Behörden.

In meiner Unterkunft haben wir uns auch gut zusammengelebt. Da wir noch nicht arbeiten dürfen, helfen wir uns hier gegenseitig beim Kochen, Lernen und wenn etwas kaputt geht. Ich bin jetzt auch immer wieder in der Stadt unterwegs. 

Dabei hatte ich gestern auch ein unschönes Erlebnis. Ich habe bereits im Umgang mit den Behörden gemerkt, dass einzelne genervt davon sind, wenn man die Sprache nicht gut spricht. Aber, gestern bin ich eine größere Einkaufsstraße entlang spaziert. Plötzlich rief mir jemand etwas nach. Ich dachte, sie wollte mir etwas sagen und habe mich umgedreht, um zu fragen, worum es ging. Da begann die Person mich anzuschreien. Ich sei ein Krimineller und Terrorist. Ich gehöre nicht hierher und sie drohte mir damit, mich abschieben zu lassen. Ich bin dann einfach schnell verschwunden. 

Zurück in der Unterkunft habe ich die anderen gefragt, ob auch sie solche Erlebnisse hatten. Leider war bei vielen die Antwort ja. Ich kann mir ja vorstellen, dass es für ein Land schwierig ist, so viele flüchtende Menschen aufzunehmen. Aber die Menschen hier sind nicht von Krieg bedroht, sie müssen kein dreckiges Wasser trinken und können sich Medikamente leisten. Ist ihnen denn nicht bewusst, warum wir flüchten? Und was eine Abschiebung bedeuten würde?

Dieser verbale Angriff hat mich sehr überrascht. Bislang kannte ich ja nur die hilfsbereite Seite der Menschen. Und trotzdem, ich bin sicher, das sind nur ein paar Ausnahmen.

Bis Bald Vater!

5. Brief

Jesus wird Pilatus vorgeführt. Dieser befragt das Volk, da er eine Person begnadigen darf. Die Hohepriester jedoch stehen in der Menge und wiegeln diese gegen Jesus auf. Das ganze Volk schreit mit und verurteilt Jesus.

Mein lieber Vater,

In meinem letzten Brief habe ich dir von einem unschönen Erlebnis erzählt. Nun, leider blieb dies kein Einzelfall. Immer wieder werde ich auf der Straße oder in den öffentlichen Verkehrsmitteln beschimpft oder unfreundlich behandelt.

Aber das Schlimmste passierte am letzten Wochenende. Ich war wieder einmal in einem naheliegenden Park spazieren. Dabei gehe ich bewusst Wege wo weniger los ist, um Konfrontationen zu entgehen. Diesmal sah ich dann ein Gruppe Menschen, die einer Person auf einer Bühne lauschten. Ich dachte es wäre ein Konzert oder ähnliches und ging näher hin. 

Dort angekommen, hörte ich einen Sprecher rufen: Österreicher ist nur wer hier geboren ist. Die Gruppe grölte zustimmend. Ich blieb mit Abstand stehen. In den nächsten 20 Minuten sprach der Redner von der Gefahr, die Flüchtlinge mitbringen würden. Alle Männer seien potenzielle Terroristen und Gewalttäter. Die Frauen würden mit ihren Kopftüchern und Burkas die Öffentlichkeit verschandeln und die hiesige Kultur zerstören. Kinder wären seiner Meinung nach nur des Kindergeldes wegen hier. Er sprach von uns als Bedrohung für den Arbeitsmarkt, denn wir würden Arbeitsplätze stehlen, und im Nächsten Satz als faules Pack, da wir nicht arbeiten und nur Sozialgeld beziehen. Zuletzt forderte er, die Grenzen zu schließen und niemanden mehr nach Europa zu lassen. „Sollen sie doch mit ihren Booten zurück paddeln!“ schrie er.

Zwischendurch machte er Pausen, in denen die größer werdende Menge zustimmenden klatschte und in Sprechgesänge ausbrach. 

Ich war schockiert. Wie kann es sein, dass basierend auf äußeren Merkmalen und einzelnen Vorfällen ganze Völker verurteilt werden? Ist ihm denn nicht bewusst, dass seine Aussagen zum Thema arbeiten, widersprüchlich und offensichtlich ohne Hintergrundwissen sind? Und wie kann ein Mensch offen fordern, dass andere dem Tod überlassen werden? In diesen 20 Minuten Rede waren alle Beschimpfungen und Argumente enthalten, mit denen ich bereits konfrontiert war. Und keines davon wurde von ihm mit Nachweisen hinterlegt.

Doch am schlimmsten für mich war, dass er so viele Menschen so leicht beeinflussen konnte. Es waren so viele Menschen seiner Meinung und es scheint, als würde sie diese Meinung, ohne sie zu hinterfragen, wiedergeben und verbreiten. Es schien sie nicht zu stören mit solchen Stimmen andere Menschen zur Gewalt zu verurteilen.

Ich mache mir Sorgen, wie sich diese Situation entwickeln wird. Was, wenn auch hier diese Stimmen ungebremst laut werden? Muss ich dann wieder Gewalt und Verfolgung erleben?

Bis Bald Vater!

6. Brief

Jesus wird ausgepeitscht und erhält eine Dornenkrone. All dies unter Hohn und Spot der Soldaten.

Mein Vater,

Warum habe ich dich verlassen?!

Dieses anfangs so freundliche Land, diese hilfsbereiten Menschen. Alles hat sich verändert. Je länger ich hier bin, je mehr ich am Leben in der Gesellschaft teilnehme, desto öfter bin ich mit Ablehnung und Hass konfrontiert. Und jetzt ist es passiert…

Gestern Abend saßen wir wieder einmal gemeinsam beim Abendessen, als es draußen plötzlich laut wurde. Der Blick aus dem Fenster hat uns ein beängstigendes Bild geliefert: eine große Gruppe versammelte sich um den Eingang. Sprechchöre, wie ich sie im letzten Brief beschrieben habe, wurden geschrien. Wir alle waren starr vor Schreck. Wir versperrten Türen und Fenster und hofften nur, dass es bald vorbei sein würde. Nur eine weitere verbale Anfeindung und Bedrohung. 

Doch die Gruppe hatte mehr vor. Urplötzlich splitterte neben mir ein Fenster und ein Stein traf ein Mädchen, dass mir gegenüber saß. Alle begannen zu schreien und schnell zerbrachen weitere Scheiben und immer mehr Steine flogen durch die Fenster. Von draußen hörten wir jubelschreie und anfeuernde Rufe. Immer gepaart mit den Parolen die wir alle schon so gut kannten. Ich kauerte auf dem Boden, als ich die Tür aufbrechen hörte. Unter fröhlichem Geschrei kam die Meute herein. Sie liefen in unsere Zimmer, stießen Tische und Kästen um, durchsuchten unsere Sachen und trugen sie in den Hof. Wir dachten es wäre vorbei, da stieß eine Stichflamme hoch und unsere Gegenstände standen in Flammen. 

Nach einer gefühlten Ewigkeit mischte sich das Geschrei mit Sirenen und das flackernde Licht des Feuers mit Blaulicht. So schnell wie die Gruppe da war, war sie wieder weg. Übrig blieben von Steinen verletzte Menschen, Chaos im Haus und Feuer im Hof. Auf der Hauswand prangt nun ein großer Schriftzug „Verschwindet oder wir kommen wieder!“

Ich zittere immer noch und frage mich wie Menschen so etwas tun können. Wir sind geflohen, vor Gewalt, Angst und Verfolgung. Und hier, in einem sogenannten zivilisierten Land, treffen wir diese Dinge wieder.

Ich muss oft daran denken, was du mir bei der Abreise gesagt hast: „Sohn denk daran, andere Menschen wissen nicht was du durch gemacht hast, daher sei nachsichtig.“ Aber nun frage ich dich Vater: Wie kann ich ihnen verzeihen, denn sie wissen ganz genau, was sie tun!

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