16. Sonntag im Jahreskreis, 17. Juli 2022

16. Jul 2022 | Ankündigungen, GuterGedanke, Spirituelles

In jener Zeit

kam Jesus in ein Dorf. Eine Frau namens Marta nahm ihn gastlich auf.
Sie hatte eine Schwester, die Maria hieß. Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu.

Marta aber war ganz davon in Anspruch genommen zu dienen. Sie kam zu ihm und sagte: Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die Arbeit mir allein überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen!

Der Herr antwortete: Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen.
Aber nur eines ist notwendig. Maria hat den guten Teil gewählt, der wird ihr nicht genommen werden.

Liebe Mitchristen!
Zunächst habe ich bei diesem Evangelium immer den Eindruck, dass diese Martha dabei einfach viel zu schlecht weg kommt. Es gibt doch viele Frauen und Männer, die in ihrem täglichen Leben – ohne viel zu sagen – einfach das Rechte, das Notwendige tun. Sie leisten die unzähligen kleinen Dienste und Handgriffe, die oft so wenig spektakulär sind, die man gar nicht sieht, die man höchstens bemerkt, wenn sie einmal nicht getan sind.
Und liebe Mitchristen, ich möchte Sie bitten, dass Sie das Evangelium nicht so verstehen, als sollten damit alle fleißigen Hausfrauen getadelt oder gedemütigt werden, oder die Sekretärinnen oder alle die guten Geister in Geschäft und Büro, in der Familie, in der Pfarrgemeinde und Kirche, ohne deren vielfältige Mithilfe halt gar nichts mehr läuft.
Auch noch heutzutage, oder vielleicht sogar gerade heutzutage, wo Gleichberechtigung noch immer nicht das ist, was sie schon längst sein sollte und viele Dienste gerade von Männern sehr selbstverständlich in Anspruch genommen werden.
Nein, dieses Evangelium möchte nicht den Wert der praktischen Arbeit herabsetzen. Es möchte nur ein bisschen warnen vor der Übertreibung, vor der Einseitigkeit. Und ich glaube, wir alle – Frauen wie Männer – sind damit gemeint und sind davon betroffen.
Es ist ja manchmal geradezu schwierig, der allgemeinen Hektik zu entkommen, sich zu lösen von den Aufgaben des Alltags, die pausenlos auf uns einstürmen.
Haben wir nicht selbst oft das Gefühl, wir seien mittendrin im Trubel? Viele Menschen tun sich schwer mit dem Abschalten – man sieht es auch im Urlaub. Sie finden nicht zur Ruhe, zur inneren Ruhe, schon gar nicht zur Besinnlichkeit. Oft sind wir noch viel zu sehr in Schwung. Das verlangt uns der Alltag ab. Wir müssen tüchtig sein – aber gleichzeitig sind wir hoffnungslos gestresst. Wir hetzen und werden von anderen gehetzt.
Denn noch etwas bleibt sonst auf der Strecke: Die Gastfreundschaft!
Gastfreundschaft: Was ist das eigentlich? Was ist dafür notwendig? Was muss ich dafür bieten?

Nicht in allen Sprachen kommt die Bedeutung des Wortes Gastfreundschaft so klar zum Ausdruck wie in der deutschen. Wie viel kann man doch diesem Wort entnehmen, setzt man sich bewusst damit auseinander:
•          Gastfreundschaft = dein Gast soll auch dein Freund sein
•          Gastfreundschaft = Gastlichkeit soll Ausdruck der Freundschaft sein
•          Gastfreundschaft = soll liebende Zuwendung und nicht gönnerhafte Herablassung sein
•          Gastfreundschaft = rückt die eigene Person in den Hintergrund und macht den anderen zum Mittelpunkt des Geschehens
•          Gastfreundschaft = der Fremde soll bei dir Aufnahme finden
•          Gastfreundschaft = soll freudiges Entgegenkommen und nicht auferlegte Pflicht sein
Und wie sieht es mit der Gastfreundschaft in unserem eigenen Alltag aus?
Heißt es bei uns nicht etwa:
•          „Nächste Woche m ü s s e n wir die Müllers einladen, das bleibt uns nicht erspart. Immerhin schulden wir ihnen schon seit Monaten die Einladung.“
•          „Die Tante Erna hat sich für morgen angesagt. Am liebsten tät‘ ich irgendeine Ausrede erfinden, aber immerhin ist sie Hansis Erbtante.“
•          „Da plag‘ ich mich den ganzen Tag, um die Wohnung schön sauber zu halten, und dann bringt die Grete einen Haufen Schulfreundinnen ins Haus und mein frischpolierter Fußboden ist wieder ganz schmutzig.“
•          „Es ist zwar sehr mühsam, aber im Fasching geben wir immer ein großes Fest für alle Geschäftsfreunde – da geht’s dann wenigstens in einem Aufwaschen!“
•          „Bei uns im Betrieb haben wir einen neuen Mitarbeiter, der von einer anderen Stadt zugezogen ist. Er kennt niemanden. Eigentlich müssten wir ihn einmal einladen – aber was sollen wir denn mit ihm anfangen?“
•          „Der Peter wollte heute einen Buben aus der Schule zum Mittagessen nach Hause bringen. Aber da hab‘ ich ihm gleich gesagt, was wird sich denn der denken, wenn’s bei uns nur Erdäpfelgulasch gibt.“
Und das soll Gastfreundschaft sein?

Was meint Jesus mit den folgenden Worten:
„ . . . denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben, ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gereicht. Ich war ein Fremdling, und ihr habt mich beherbergt . . .
Welche Rolle könnte die Gastfreundschaft nun tatsächlich in unserem Leben spielen, wenn wir dem Armen, dem Fremden, dem Verlassenen unser Haus öffnen und nicht nur dem nützlichen Geschäftspartner, der Freundin, der man imponieren will oder den Verwandten, denen man zu Dank verpflichtet ist?
•          Gastfreundschaft heißt nicht nur, zu seinen Freunden gastlich sein, sondern (unvorhergesehene, fremde) Gäste wie Freunde aufzunehmen.
•          Gastfreundschaft läßt uns den Fremden annehmen und kennenlernen und bereichert dadurch unser Leben mehr als so manche Fernsehsendung, der wir uns in eigensüchtiger Bequemlichkeit widmen.
•          Gastfreundschaft soll das gute Gespräch über einem Stück Butterbrot und einem Glas Wein mit Freunden, die unvorhergesehen vorbeikommen, wertvoller erscheinen lassen als die übliche Standardkonversation zum konventionellen Festmenü.
•          Gastfreundschaft soll für Gast und Gastgeber im gleichen Maße Freude bereiten.
•          Gastfreundschaft soll nicht unsere Kochkünste oder unsere persönlichen Erfolge in den Vordergrund stellen, sondern das Wohlbefinden des Gastes.
•          Gastfreundschaft soll das wohlige Beisammensein unserer Kinder mit ihren Freunden in einer gemütlichen, wenn auch nicht immer ordentlichen Umgebung fördern, auch auf Kosten einer blitzsauberen Wohnung oder des Wunschs nach Ruhe nach einem arbeitsreichen Tag.
Nicht materielle Genüsse, die wir zu bieten haben, sind für echte Gastfreundschaft ausschlaggebend, sondern unsere Hinwendung zum Gast, zu unserem Nächsten.
Vielleicht sollten wir öfter daran denken, dass auch Jesus die Gastfreundschaft gern in Anspruch genommen hat.

Amen

Ihr Wolfgang Kanelutti

© kathbild.at/Rupprecht
Fotograf: STEPHAN SCHOENLAUB
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