Ostermontag, 18. April 2022
Am ersten Tag der Woche waren zwei von den Jüngern Jesu auf dem Weg in ein Dorf namens Emmaus, das sechzig Stadien von Jerusalem entfernt ist.
Sie sprachen miteinander über all das, was sich ereignet hatte. Und es geschah:
Während sie redeten und ihre Gedanken austauschten, kam Jesus selbst hinzu und ging mit ihnen.
Doch ihre Augen waren gehalten, sodass sie ihn nicht erkannten.
Er fragte sie: Was sind das für Dinge, über die ihr auf eurem Weg miteinander redet?
Da blieben sie traurig stehen und der eine von ihnen – er hieß Kléopas – antwortete ihm:
Bist du so fremd in Jerusalem, dass du als Einziger nicht weißt, was in diesen Tagen dort geschehen ist?
Er fragte sie: Was denn? Sie antworteten ihm: Das mit Jesus aus Nazaret. Er war ein Prophet,
mächtig in Tat und Wort vor Gott und dem ganzen Volk. Doch unsere Hohepriester und Führer
haben ihn zum Tod verurteilen und ans Kreuz schlagen lassen. Wir aber hatten gehofft,
dass er der sei, der Israel erlösen werde. Und dazu ist heute schon der dritte Tag, seitdem das alles geschehen ist. Doch auch einige Frauen aus unserem Kreis haben uns in große Aufregung versetzt.
Sie waren in der Frühe beim Grab, fanden aber seinen Leichnam nicht. Als sie zurückkamen, erzählten sie, es seien ihnen Engel erschienen und hätten gesagt, er lebe.
Einige von uns gingen dann zum Grab und fanden alles so, wie die Frauen gesagt hatten; ihn selbst aber sahen sie nicht.
Da sagte er zu ihnen: Ihr Unverständigen, deren Herz zu träge ist, um alles zu glauben, was die Propheten gesagt haben. Musste nicht der Christus das erleide und so in seine Herrlichkeit gelangen?
Und er legte ihnen dar, ausgehend von Mose und allen Propheten, was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht.
So erreichten sie das Dorf, zu dem sie unterwegs waren. Jesus tat, als wolle er weitergehen, aber sie drängten ihn und sagten: Bleibe bei uns; denn es wird Abend, der Tag hat sich schon geneigt! Da ging er mit hinein, um bei ihnen zu bleiben.
Und es geschah: Als er mit ihnen bei Tisch war, nahm er das Brot, sprach den Lobpreis, brach es und gab es ihnen.
Da wurden ihre Augen aufgetan und sie erkannten ihn; und er entschwand ihren Blicken. Und sie sagten zueinander: Brannte nicht unser Herz in uns, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schriften eröffnete?
Noch in derselben Stunde brachen sie auf und kehrten nach Jerusalem zurück und sie fanden die Elf und die mit ihnen versammelt waren. Diese sagten: Der Herr ist wirklich auferstanden und ist dem Simon erschienen. Da erzählten auch sie, was sie unterwegs erlebt und wie sie ihn erkannt hatten,
als er das Brot brach.
soeben hörten wir eine der bekanntesten Stellen aus dem Lukas Evangelium. Sie handelt, wie wir wissen, von zwei Jüngern, die nach den Ereignissen in Jerusalem, betrübt, traurig, ja hoffnungs- und perspektivlos auf dem Weg nach Emmaus sind. Ein Weg von ca. 10 km, nicht allzu weit, aber doch so weit entfernt, dass sie Zeit hatten sich über die Ereignisse der vergangenen Tage in ihre Gedanken zu vertiefen und miteinander darüber zu sprechen. Sodass, wie wir es im Evangelium hörten, ihre Augen gehalten waren.
Was will Lukas damit ausdrücken: „Ihre Augen waren gehalten“? Ich glaube, diesen Zustand kennt jeder von uns. Es hat uns etwas so getroffen, betroffen gemacht, dass wir die Welt um uns nicht mehr wirklich wahrnehmen.
Es kann der Tod eines lieben Menschen sein, eine Katastrophe oder eine schwere Krankheit sein. Plötzlich ist der innere Blick nur noch auf dieses Ereignis gerichtet. Wir würden heute sagen, wir haben einen Tunnelblick, sehen nur im Bereich, den die Scheuklappen erlauben.
Ich stelle mir vor, genauso einen Tunnelblick hatten die Jünger auf ihrem Weg. Den Blick nur noch auf das Vergangene gerichtet, nicht nach vorne, nicht in die Zukunft. Und da stoßt einer zu ihnen, der vermeintlich keine Ahnung hat, von dem, was geschehen war.
Aber was machte dieser, für sie Fremde? Er hört ihnen zu, lässt sich von ihnen die Ereignisse erzählen und wie es den Jüngern damit geht — die zerstörten Hoffnungen, die Ängste, die Perspektiven und die Mutlosigkeit, die sie erfüllt.
Wir wissen, wie gut es tut jemandem zu begegnen, der uns zuhört, wenn es nötig ist.
Jemand, der empathisch Anteil nimmt an meiner Geschichte.
So hat Jesus an den Jüngern gehandelt und zugehört.
Dann hat er ihnen, aus der Sicht des Alten Testaments, beginnend von Moses, über den König David und den Propheten erläutert, dass Jesus, also er selbst, diesen Weg gehen musste.
Er hat damit den Jüngern ermöglicht, dass ihr Herz sich wieder zu öffnen begann.
Wie oft ist unser Herz verschlossen, für die gute Botschaft in den Evangelien?
Wie oft spüren wir Gott und Jesus nicht, obwohl er mit und bei uns ist?
Jesus hat den Jüngern Mut gemacht, er hat ihr Herz erreicht.
So wie sie, nachdem sie ihn beim Brotbrechen erkannt hatten, sagten: „Brannte nicht unser Herz in uns, als er unterwegs mit uns redete?“
Können wir das auch sagen?
Berührt uns Jesus in unserem Herz, in unserer Seele?
Diese Frage kann nur jeder für sich beantworten. Es gibt keine allgemeine Regel dafür, wie und wann uns Jesus berührt.
Aber in jeder Eucharistiefeier denken wir Christen an Jesus. Daran, dass er mit uns ist und wir von ihm durch dieses Brot, in dem er gegenwärtig ist, gestärkt werden — in unserem Leben und auf unserem Glaubensweg.
Jesus spricht in jedem Gottesdienst und wann immer wir die Evangelien lesen zu uns. Er sagt zu uns Effata, öffne dich, lege deinen Tunnelblick ab und höre auf die gute Botschaft.
Dieser Jesus, unser Bruder, gibt uns immer wieder aufs Neue, Hoffnung und Kraft und auch Liebe und Empathie für unsere Mitmenschen. Nehmen wir die Erfahrung, die die Jünger auf ihrem Weg nach Emmaus gemacht und gefühlt haben, mit nach Hause.
Nehmen Sie sich heute Zeit, für einen kleinen Spaziergang — alleine, zu zweit, oder mit der ganzen Familie. Lassen Sie diese frohe Botschaft nochmals auf Sie wirken und sich davon berühren.
Eines können wir im Vertrauen auf Jesus auf jeden Fall heute mitnehmen. Er begleitet uns, er hört uns zu und er zeigt uns immer einen Weg.
Wir müssen uns nur öffnen. Unsere Augen, unsere Ohren und vor allem unser Herz.
Ihr
Gerhard Hladky
Diakon
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